Marianne Stern-Winter
              - eine Grevenbroicher Biographie

Marianne Stern geboren Winter war eine Holocaustüberlebende aus Hemmerden, die ihre gesamte Familie - unter anderem ihre Eltern und ihre Schwester und deren Ehemann - im Holocaust verloren hatte.


Marianne wurde 1919 als jüngste Tochter von Karl und Rosalie Winter geboren. Mit ihrer älteren  Schwester Hertha wuchs sie in einem wohlbehüteten, konservativen Elternhaus auf, im Haus betrieb der Vater gemeinsam mit Mariannes Onkel Fritz Theisebach das Textilgeschäft "Lazarus Winter Söhne". Mit im Haushalt lebte das Ehepaar Theisebach mit den beiden Söhnen Alfred und Walter. 

Sie waren selbstbewusste, stolze "deutsche Staatsbürger israelitischer Religion". Marianne besuchte die Volksschule in Hemmerden, spielte im Mandolinenclub und zog alljährlich im November mit den Hemmerdener
Kindern mit ihrer selbstgebauten Fackel durch die Straßen, um an die Barmherzigkeit des Heiligen St. Martin zu erinnern.

Mit der Machtergreifung Hitlers änderte sich vieles. Um den Zeitpunkt des Boykotts am 1. April 1933, zugleich die Zeit der Schulentlassung von Marianne Winter aus der Volksschule, wurde der Schülerin deutlich gemacht, dass ihr gutes Zeugnis ihr nichts nützen würde. Als Jüdin habe sie keine Chance in Deutschland, so ihr Lehrer...

In der "Reichskristallnacht", dem Pogrom des 9. Novembers 1938, wurde auch das Haus Winter heimgesucht, der Laden verwüstet, die Familie eingeschüchtert und bedroht. Ebenso wie die Synagoge an der Mauristraße verwüstet und geschändet wurde, die Inneneinrichtung und die Heiligen Thorarollen im Innern des Gotteshauses verbrannt.

Es kam das wirtschaftliche Aus und weitere Repressalien gegen die Familie, eine beabsichtigte Auswanderung nach Harbin bzw. Shanghai in letzter Minute schlug fehl.

Die Familie wurde am 10. Dezember 1941 nach Riga in das dortige Ghetto deportiert. Mariannes Eltern Karl und Rosalie Winter wurden Opfer einer Selektion, weil ihr Vater eine Kriegsverletzung aus dem ersten Weltkrieg aufwies. Marianne, ihre Schwester Hertha und ihr Schwager Richard Schmitz überlebten die Ghettoauflösung, das KZ Riga-Kaiserwald und das KZ Stutthof. Hier verlieren sich die Spuren von Richard, Hertha starb in den Armen ihrer Schwester auf einem Todesmarsch im Februar 1945 an Hungertyphus. Nur Marianne und ihre beiden Cousins Helmut Sachs und Walter Theisebach erlebten die Befreiung durch die russische Armee nahe bei Lauenburg.

Walter blieb im deutsch-polnischen Grenzgebiet und lebte bis zu seinem Tod 2010 in Polen. Seinen Bruder Alfred, der mit einem Kindertransport nach England und später in die USA emigrierte, durfte er nur noch zwei Mal sehen.

Eine weitere Cousine, Sofie Aussen, überlebte in den Niederlanden versteckt, Sofies Schwester Henni überlebte Menschenversuche in Ausschwitz.

Marianne heiratete, nachdem sie alleine nach Hemmerden zurückgekehrt war, Josef Stern aus Rheydt, ebenfalls ein Riga-Überlebender.  Mit im Haushalt lebte einige Zeit Helmut Sachs, der als Vollwaise keine Verwandten mehr hatte. Eine vorübergehende Emigration nach Paraguay scheiterte an Klima, Kultur und Gesellschaft - Marianne und Josef waren - trotz allen Leids und trotz aller Verfolgung - deutsche Rheinländer...

Nach dem Tod ihres Mannes Mitte der 1980er Jahre suchte Marianne Winter-Stern den Kontakt zur jungen Generation und ging regelmäßig in Schulen, um über das Schicksal ihrer Familie zu berichten.

Marianne Stern-Winter starb 1998 und ist als letzte Grevenbroicher überlebende Jüdin auf dem jüdischen Friedhof in Hemmerden beigesetzt.